Nicht alles ist immer in Worte oder Begriffe zu fassen. Wenn Sprache versagt und Begegnung erlebt wird, spüren wir das pfingstliche Feuer. Gegen Ende seines Lebens soll der Heilige Thomas von Aquin, ein äußerst kluger Mensch, von einem inneren religiösen Erlebnis so gefesselt worden sein, dass er die Lust am Schreiben verlor. Darauf angesprochen, gestand er einem Mitbruder: „Alles, was ich je über Gott geschrieben habe, erscheint mir jetzt wie leeres Stroh.“ Versagt unsere Sprache, taugen alle unsere Begriffe nichts mehr, wenn wir im „Erleben“ stehen? Ein alter Meditationslehrer hat es einmal auf den Punkt gebracht: „Wer weiß, redet nichts. Wer redet, weiß nichts.“ Steht es also schlecht mit uns, wenn wir „über“ Gott reden, schreiben, urteilen, seine Botschaft in Begriffe, Normen und Dogmen bringen? Das Christentum – nur eine „Schriftreligion“?
Von Gottes Geist gepackt
Wie gut und wie notwendig ist es doch, dass es dieses Pfingsten gibt. Kein anderes Kirchenfest kann uns überzeugender ermutigen, Gott wieder zu erleben, nicht in „leeren Buchstaben, die töten“ – wie es Paulus nennt, sondern „im Geist, der lebendig macht“ (2 Kor 3,6). Da wird uns berichtet, wie die ersten Christen in einem wahren Erlebnisrausch, auf einer höheren Bewusstseinsebene, in einer tranceähnlichen Erfahrung von Gottes Geist gepackt und erfüllt werden. Einige Beobachter, die „nüchternen Denker“, meinten sogar, dass diese Begeisterten „voll des süßen Weines“ seien (Apg 2,13). Eine Erfahrung ganz besonderer Art: Gottes Nähe im Erlebnis des Windes, im Brausen, im Sturm, in Feuerzungen – alles Elemente, die nicht fassbar sind, die wir nicht im Griff haben und nicht beherrschen können, voller Lebendigkeit, grenzenlos, einfach „unfassbar“ und doch so nah und so spürbar. Eine Gotteserfahrung, die buchstäblich alle Sprachbarrieren sprengt und überwindet, denn „ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.“ (Apg 2,8).
Ein Weg voller Überraschungen
Hier ist der Weg nicht Gotteserkenntnis, sondern Gotteserfahrung, ein Weg voller Überraschungen, nicht festgelegt. „Gott“, das ist mehr als ein Gedanke, ein Begriff, eine Schlussfolgerung; er ist Erlebnis, Erfahrung. Hier treffen wir nicht auf „Begreifende“, sondern auf „Ergriffene“. Hier begegnen wir „Religion“ in ihrer lebendigsten Form: Menschen versuchen nicht, das Göttliche in den Griff zu bekommen, sie öffnen sich, sie geben sich ihm hin, stellen sich ihm ganz anheim, damit all das, was größer ist als ihr eigenes Ich, ihr ganzes Wesen durchströmen und sich in ihrem Verhalten widerspiegeln kann. Das „Heilige“ wird nicht mehr beschworen oder gefordert, es kommt auf uns zu und heilt.
Stanislaus Klemm, In: Pfarrbriefservice.de