Die Vincenzkapelle in Niederforstbach

Die mit Abstand älteste Kapelle in der Pfarre St. Donatus Aachen-Brand ist die Vincenzkapelle im Ortsteil Niederforstbach. Man findet sie an der Münsterstraße gegenüber der Einmündung Arensgasse. Schlicht und vor allem klein präsentiert sie sich mit einem Innenraum, der gerade einmal 4,5 x 5 m mißt.

Warum sie errichtet wurde, steht auf einer Tafel  über dem Eingang. Von 1755 bis 1763 wurde das Rheinland durch zahllose  Erdbeben erschüttert. Große Schäden traten zwar nicht ein, aber die Bevölkerung auch im Münsterländchen lebte lange in Angst. Zeitweise wagten es die Niederforstbacher sogar nicht, sich in ihren Häusern aufzuhalten. Allein im Jahre 1756 bebte die Erde etwa hundertmal. So errichtete man „zu Ehren Gottes“ auf dem Boden eines Hofes der Abtei Kornelimünster eine Kapelle, finanziert aus Spenden Niederforstbacher Bürger.

Anfangs war sie ein einfaches, kleines Gebetshaus. Erst später hat man sie dem Patronat des heiligen Vincenz Ferrer (um 1350 – 1419) unterstellt. Ihm begegnet man in unserer Gegend selten. Der Spanier lebte von 1350 bis 1419, gehörte dem Dominikanerorden an und gilt als einer der größten Bußprediger des Mittelalters. Man rief ihn unter anderem als Helfer in drohender Gefahr und als Fürbitter um einen guten Tod an. Vermutlich wurde der hl. Vincenz Ferrer den Niederforstbachern von irgendwoher empfohlen, wo man seiner Hilfe vertraute. 

Bis 1880 blieb die Kapelle im Besitz der Abtei Kornelimünster. Dann wurde sie Eigentum der Pfarre St. Donatus. Im Jahre 1889 folgten Renovierung und Umbau. Bei dieser Gelegenheit erhielten die Fassade und die seitlichen Fenster ihre jetzige neugotische Form. Seit jener Zeit befindet sich im Inneren der 1863 angefertigte Wendelinus-Seitenaltar aus der früheren Brander Pfarrkirche. Er zeigt geschnitzte Figuren des hl. Wendelin, der hl. Walburga und der hl. Barbara. Um 1900 wollte man die Kapelle vergrößern. Doch das Vorhaben scheiterte, weil der Pfarre das nötige Geld fehlte.

In der Nacht von Palmsonntag auf Karmontag 1992 bebte im Rheinland die Erde. Niederforstbach und Brand kamen ohne größere Schäden davon. Dem hl. Vincenz zum Dank ließ der Bürgerverein Brand eine Votivtafel in einen der Außensteine meißeln.

Die letzte Sanierung begann im Juli 1999 und nahm fast 3 Jahre in Anspruch. Man verstärkte das Mauerwerk, erneuerte Dach und Glockenturm, ersetzte die alten Elektroleitungen, restaurierte das Deckengemälde und vieles andere mehr. Der Wendelinusaltar kam zur Überarbeitung in eine Tischlerei , die sperrigen Kirchenbänke wichen einzelnen Kniestühlen aus dem Aachener Dom und der Turmhahn wurde vergoldet. Die Kosten dafür wären ohne das enorme ehrenamtliche Engagement vieler Niederforstbacher und Brander kaum zu stemmen gewesen. Zur Wiedereinweihung  im April 2002 erstrahlte die Kapelle dann in neuem Glanz.

Im Dachreiter befindet sich eine kleine Glocke. Im Sommer 1999 wurde sie ausgebaut um Schäden an ihrem Läuterad zu beheben. Dabei fand man jedoch weder eine Inschrift noch Angaben über den Zeitpunkt des Gusses. Auch das Pfarrarchiv und die Chroniken geben keine Auskunft über ihre Herkunft und Geschichte. Ob die Glocke seit 1756 zum Inventar gehört, bleibt ungewiss.

„Die Kapelle zeugt vom tief religiösen Geist des Volkes“, berichtet Pfarrer Arnold Ortmanns 1928 und fährt fort: „Im Mai wurde in der Kapelle täglich der Rosenkranz gebetet, ebenso am Sonntag nach einem Begräbnis“. Auch heute noch findet hier bei Sterbefällen auf Wunsch eine Betstunde für den Verstorbenen statt. Hin und wieder wird auch getauft. Nur einmal im Jahr, am 5. April, dem Fest des Kapellenpatrons, wird die heilige Messe gefeiert.

(Seit 1948 kümmert sich die Familie Wenzler-Ziemons in dankenswerter Weise um die Pflege die Kapelle. Die Niederforstbacher St. Vincenz-Schützen haben die Patenschaft übernommen.) 

Text: Reinhard Becker
Fotos und Recherche: Ewald Kreus

Quellen: 

„Zur Geschichte der Pfarre Brand“, Pfarrer Arnold Ortmanns, 1928 
„Brand – Gemeinde und Pfarre“, Dr. Robert Jeuckens, 1954 
„Brand – ein Ort verändert sich“, Bürgerverein Brand, 1985
„Brand – Heimatkundliche Blätter“, Bürgerverein Brand, 1998 und 1999